2. Dezember 2008

Anastassja Archipowa und die Schneekönigin

Im Reich der Märchen ist Anasstasja Archipowa eine Zauberin der Malkunst.
Ihre Illustrationen sind von zerbrechlicher, transparenter Schönheit.

Jeder Figur schenkt sie eine einmalige Persönlichkeit, ob in höfischer Eleganz oder in trauriger Armut. Anastassja liebt ihre Figuren, vertieft sich in sie, zaubert Empfindungen auf ihre Gesichter und stattet sie mit allem aus was ihre Person ausmacht. Ob Fächer, Schmuck, Kopfputz oder Spielzeug, die Requisiten sind bis in Detail dargestellt. Die Schauplätze der Handlung spiegeln auf wundersame Weise die Stimmung und Gefühle wieder, die die Märchenfiguren erleben, erleiden oder beglücken.


Die Künstlerin wurde 1955 in Moskau geboren. Nach ihrem Studium an der Surikoff Kunstakademie begann ihre Karierre als Plakatdesignerin. Mitte der siebziger Jahre begann sie mit ihren ersten Illustrationen. Mit ihren Bildern bereicherte sie die Stücke von Shakespeare, Cervantes, Molière und Goethe. Es folgten Illustrationen russischer wie anderer klassischer Märchen. Seit 1985 arbeitet Anastassja Archipowa für den Esslinger Verlag. Die Märchen von Hans-Christian Andersen liebt sie besonders.

Anastassjas Bilder werden weltweit ausgestellt. Sie erhielt zahlreiche Preise und Anerkennungen. Sie lebt im Kreis ihrer Familie in einem Landhaus nahe Moskau.

Die Schneekönigin

In einer großen Stadt lebten zwei Kinder. Sie waren nicht Bruder und Schwester, aber sie waren einander so gut, als ob sie es gewesen wären. Ihre Eltern wohnten in zwei gegenüberliegenden kleinen Dachkammern. Vor den Fenstern waren große, hölzere Kästen angebracht. Darin wuchsen die herrlichsten Rosen. Da die Kästen sehr hoch waren, erhielten die Kinder oft die Erlaubnis, aus dem Fenster zu steigen und bei den Rosen zu sitzen. Da spielten sie dann glücklich.


An einem Wintertag erschien Kay mit seinem Schlitten bei Gerda und rief: "Ich fahre nun auf den großen Platz wo die anderen Kinder spielen!" Und weg war er. Auf dem Platz ging es lustig zu. Die kecksten Knaben banden ihre Schlitten an den Wagen der Landleute fest und ließen sich ein Stück ziehen. Mit einem Mal war ein großer Schlitten da, und darin saß jemand, der in einen weißen Pelz gehüllt war.


Ohne Handschuhe und ohne Stiefel lief Gerda, in der entsetzlichen Kälte der Finnmark, vorwärts. Da kam ihr ein ganzes Regiment von Schneeflocken entgegen, das waren die Vorposten der Schneekönigin. Sie wurden immer größer und fürchterlicher.


Das eine Bett war weiß und in dem lag die Prinzessin; das andere war rot, und darin sah die kleine Gerda einen braunen Nacken. "Kay!" rief sie laut. Aber es war nicht Kay, sondern ein junger Prinz, und da weinte sie bitterlich und erzählte der Prinzessin und dem Prinzen ihre traurige Geschichte.


Kay war blau vor Kälte, aber er merkte es nicht, denn die Schneekönigin hatte ihm den Frostschauer abgeküßt, und sein Herz glich einem Eisklumpen.


Dann gingen Gerda und Kay Hand in Hand. Es war ein herrlicher Frühling mit Blumen und Grün; die Glocken läuteten und sie erkanntend die Stadt, in der sie wohnten. Sie gingen zur Tür der Großmutter in die Stube hinein, wo alles wie früher war. Und als sie durch die Tür gingen, bemerkten sie, dass sei erwachsene Menschen geworden waren. Und die Rosen blühten zum Fenster herein. Da sassen sie beide, erwachsen, doch Kinder im Herzen, und es war ein warmer, wohltuender Sommer.

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